Henry van de Velde     Zeitzeugen und Zeitzeugnisse
Interview mit Herrn Dr. Luchsinger
Teil 1

Herr Dr. Luchsinger
Dieses Interview mit Herrn Dr. Peter C. Luchsinger, Enkel von Herbert Eugen Esche, des Bauherren der Villa Esche, wurde im Juli 2003 von Herrn Andreas E. Mach, Gründer der Henry van de Velde Gesellschaft Sachsen e.V. geführt.

Im Rahmen eines Vortrages, veranstaltet von der Henry van de Velde Gesellschaft Sachsen e.V. am 17.07.2003 in der Villa Esche wurden Herr Dr. Peter C. Luchsinger und seine Frau Barbara aus Fredericks (USA) als Ehrengäste in Chemnitz sehr herzlich begrüßt.

Zur Familiengeschichte des Bauherren der Villa Esche, Herbert Eugen Esche und seiner Frau Hanni gehörend, ist Herr Dr. Peter C. Luchsinger als Enkel einer der im Jahre 2003 noch lebenden Verwandten.
Herbert Eugen Esche und Johanna Luise Esche, geborene Koerner, hatten zwei Kinder – Hans Herbert und Erdmute Magarete. Erdmute Esche heiratete im Jahr 1925 Herrn Caspar Johannes Luchsinger, Inhaber der Firma Luchsinger Handelsgesellschaft Zürich. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Regula Luchsinger und Peter Caspar Luchsinger.

Peter C. Luchsinger verbrachte während seiner Kindheit – vor allem in den Schulferien – einige schöne Tage bei seinem Großvater, dem sächsischen Industriellen und Freund Henry van de Veldes, Herbert Eugen Esche. Aus dem Munde eines der wenigen noch lebenden Zeitzeugen wurden interessante Äußerungen bekannt, die aufgezeichnet wurden. Über den Bericht wurde ein Videofilm gedreht.

Herr Mach:
Lieber Herr Dr. Luchsinger, wir wollen diesen Jugendstilabend mit einem großen Höhepunkt beschließen, nämlich die Gelegenheit, ihre Anwesenheit in Chemnitz nutzend, mit ihnen über dieses Haus und ihre Familie zu sprechen.
Herr Dr. Luchsinger, ihre Großeltern – Hanni und Herbert Eugen Esche – waren vor allen Dingen bis zum frühen Tode ihrer Großmutter im Jahre 1911 Avantgarde, da sie in diesem Haus gelebt haben, das von vielen als unkomfortabel und viel zu modern und außergewöhnlich kritisiert wurde. Wir wissen, dass hier Feste gefeiert wurden, wir wissen auch, dass die Familie sich hier getroffen hat, hier gelebt hat.
Sie haben vor allem in den 30er Jahren ihre Ferien hier sehr häufig verbracht und wenn sie uns einfach erzählen, wie so ein Besuch in Chemnitz in der Villa Esche als Enkel abgelaufen ist.

Herr Dr. Luchsinger:
Nachdem, was sie heute Abend gehört haben, könnte man sich vorstellen, dass dies ein ganz außergewöhnlicher Haushalt war und das war er ganz sicher nicht. Zumindest nicht in den Jahren, wo ich dieses Haus besuchte.
Ich war damals als Kleinkind und bis zum 13. Lebensjahr recht häufig in diesem Haushalt und wenn ich zurückdenke an diesen Haushalt, war er einfach ein ganz gewöhnlicher Haushalt. Es gab Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Das einzig Besondere war vielleicht, dass es mehrere Hausangestellte gab. Haushälterin war das Fräulein Bellmann und 2 weitere Angestellte. Das war der gesamte Haushalt.
Die Mahlzeiten waren gut bürgerlich, keinesfalls beeinflusst von irgendwelchen Jugendstileinflüssen. Das ist wirklich alles, was man über dieses Haus und diesen Haushalt sagen kann.

Herr Mach:
Erinnern sie sich an die Atmosphäre in diesem Hause?

Herr Dr. Luchsinger:
Eine sehr natürliche Atmosphäre, sie war weder gezwungen, noch sehr lebhaft, es war ein Zwischending. Mein Großvater war ein bescheidener, sehr ruhiger Mann, der seine Stimme sehr selten oder gar nie erhob. Es war somit eine freundliche, nette Atmosphäre ohne irgendwelche Überschwänglichkeit.

Herr Mach:
Vielen Dank, das habe ich fast erwartet. Lassen sie uns doch über ihren Großvaters als Sammler sprechen. Er wird sehr häufig als Mäzen dargestellt. Wir wissen auch, dass er van de Velde unterstützt hat. Er wird als Sammler gezählt. Wir wissen auch, dass er mit Künstlern befreundet war, wie mit Ivo Hauptmann oder mit Partikel.
Was hat es auf sich mit dem Kunstsammler Herbert Eugen Esche?

Kunsthaus Zürich
Museum Bellerive, Zürich
Folkwangmuseum Essen
Villa Esche, Chemnitz

War er Sammler und Mäzen oder wie würden sie sein Verhältnis zur Kunst beschreiben?

Herr Dr. Luchsinger:
In den Jahren, in denen ich meinen Großvater kannte, stand sein Sammlertum wirklich nicht im Vordergrund. So, wie ich es rekonstruiere, hatte er in seinen Jahren mit Hanni Esche viele Bilder erworben. Aber es scheint, dass sich später sein Sammlertum eher auf bestimmte Künstler konzentrierte. In den Jahren nach Hanni Esches Tod war Jäckel hier zu Hause, er hatte eine enge Freundschaft auch mit Semm und insbesondere auch mit Partikel, den ich selbst einmal auf einer Ferienreise kennengelernt habe. Es waren eben diese Künstler, die er unterstützte, und Kunstwerke sammelte; insbesondere gibt es viele Porträts von meiner Mutter, die von diesen Künstlern gemalt wurden.

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